Unangenehme Sachverhalte konstruktiv ansprechen

Wir alle kennen diese Situation: Eigentlich wollten wir unserer Arbeitskollegin Susanne schon längst sagen, dass es uns nervt, dass sie immer einige Minuten zu spät zu vereinbarten Sitzungen erscheint. Stattdessen beteuern wir, dass dies doch gar kein Problem sei, und schlucken unseren Ärger hinunter. Leider löst sich dieser nicht in Luft auf, sondern kann sich in unserem Gedankenkino sogar noch steigern und bei einer anderen Gelegenheit völlig unpassend zum Ausdruck kommen. So sind wir in unserem inneren Dialog beispielsweise zu der Überzeugung gelangt, dass diese Kollegin ja nicht nur unpünktlich zu vereinbarten Terminen erscheint, sondern doch auch sonst eher unmotiviert arbeitet und wir immer ihre Aufträge übernehmen müssen, da sie es ja eh nicht auf die Reihe bekommt. Dies kann nun im tatsächlichen Austausch mit der besagten Arbeitskollegin dazu führen, dass wir übermässig harsch und abweisend reagieren, wenn sie uns fragt, ob wir sie in einem anspruchsvollen Projekt unterstützen wollen.

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Damit verbauen wir nicht nur uns selbst wertvolle Lernmöglichkeiten, beispielsweise durch die Mitarbeit an einem spannenden Projekt, sondern wir beeinflussen die Beziehung zu unserer Arbeitskollegin und somit die gesamte Teamkultur massgeblich negativ. Darüber hinaus äussert sich der empfundene Ärger in einem verminderten Wohlbefinden und einer geringeren Arbeitszufriedenheit.

Es gibt also mehrere Gründe, warum es sich lohnt, unangenehme Sachverhalte konstruktiv anzusprechen und damit souverän umzugehen. Mit dem Modell «Vier Schritte der wertschätzenden Kommunikation» (Brüggemeier, 2017) wird ein konkretes Vorgehen dazu aufgezeigt. Dieses beruft sich auf Marshall Rosenbergs «Gewaltfreie Kommunikation» aus dem Jahr 2013. Rosenberg hat bereits in den 60er Jahren die Beobachtung gemacht, dass unsere Sprache in Interaktionen entweder eine trennende Wirkung haben kann und Mauern zwischen den Menschen errichtet, oder dass sie die Funktion von Fenstern übernehmen und somit für Verbindung sowie Austausch sorgen kann. In Verallgemeinerungen oder Beurteilungen über andere sieht Rosenberg vor allem den trennenden Anteil, während mit dem Fokus auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse die empathische Verbindung untereinander gestärkt wird. Ganz nebenbei nimmt dadurch auch die Eigeninitiative zu, da wir dadurch jederzeit die Verantwortung für unsere Emotionen übernehmen.

Unter Berücksichtigung der vier Schritte der wertschätzenden Kommunikation könnte die obenstehende Situation folgendermassen angesprochen werden:

  1. Beobachtung (ohne weitere Bewertung der Situation): «Liebe Susanne, gestern bist du 3 Minuten nach dem vereinbarten Beginn zu der Sitzung gekommen»

Wer einen Versuch mit diesem Modell wagt, wird rasch erkennen, dass es gar nicht so einfach ist, eine schlichte Beobachtung auszudrücken. Oft ist diese bereits vermischt mit unseren Interpretationen und Ergänzungen.

  • Gefühle wahrnehmen und ausdrücken: «Ich ärgere mich…»

Auch im Business Kontext lohnt es sich, Emotionen auszudrücken. Da wir als soziale Wesen sowieso über diese verfügen, müssen sie lediglich in einer passenden Formulierung zum Ausdruck gebracht werden.

  • Bedürfnisse erkennen und benennen: «…weil mir Zuverlässigkeit / Pünktlichkeit etc. wichtig ist.

Emotionen sind nach dem Modell der wertschätzenden Kommunikation lediglich Hinweise darauf, ob Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht. Dies hat zur Folge, dass ich nicht mein Gegenüber für meinen Ärger verantwortlich mache, sondern mein Bedürfnis im Zentrum steht.

  • Bitte formulieren: «Dürfte ich dich bitten, zur nächsten Sitzung 3 Minuten vor Beginn zu erscheinen?»

→ VW-Regel beachten. Dies bedeutet: statt Vorwürfe Wünsche zu formulieren. Wünsche sollten möglichst konkret und positiv artikuliert werden.

Ich wünsche Ihnen viel Spass und Freude beim Ausprobieren und bin überzeugt, dass Sie viele spannende Erkenntnisse gewinnen werden und bemerken, dass es eigentlich gar nicht so schwierig ist, auch unangenehme Sachverhalte direkt anzusprechen.

Nina Oehler, Personalentwicklerin

Quellenangaben:

Brüggemeier, Beate (2017). Wertschätzende Kommunikation im Business. Wer sich öffnet, kommt weiter. Paderborn: Junfermann, 4., überarbeitete Auflage.

Rosenberg, Marshall (2013). Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Paderborn: Junfermann, 11. Auflage.

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