Covid-19 in der Personalentwicklung: Was sagt die Wissenschaft zu den letzten 20 Monaten?

März 2020: Ein Monat, der wohl uns allen in lebhafter Erinnerung bleiben wird. Plötzlich steht die Pandemie vor der eigenen Haustüre, die Lage ist ernst, die Gemüter verunsichert. Wir werden mit Ungewissheit konfrontiert, Einschränkungen bestimmen unseren Alltag, Ängste kommen auf. Nun, mehr als eineinhalb Jahre später Ende 2021, sind wir müde, über Corona zu sprechen. Das Thema polarisiert, das Virus ist hartnäckig und die Spitäler verschiedener Länder noch immer überfüllt. Trotzdem lohnt es sich zum Jahresende, zumindest aus empirischer Sicht einen Blick auf die vergangenen Monate zu wagen – denn immerhin die Wissenschaft ist in der Pandemie-Zeit keineswegs stillgestanden, und auch in der Personalentwicklung konnten verschiedene Erkenntnisse aus der aktuellen Pandemie-Zeit gezogen werden! Welche davon könnten für Unternehmen auch für künftige Ausnahmesituationen relevant sein?

Wer ist betroffen?

Covid-19 war für uns alle mit wesentlichen Veränderungen unseres privaten und beruflichen Alltags verknüpft und wirkte sich auf unser psychisches Wohlbefinden aus. Wenig erstaunlich scheinen aber einige Persönlichkeitsdimensionen wie Extraversion, Neurotizimus und Offenheit (3 der sogenannten ‘Big Five’-Dimensionen der Persönlichkeit Extraversion, Neurotizismus, Offenheit Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit) wichtige Prädiktoren dafür zu sein, welche psychologischen Auswirkungen die Pandemie auf uns hatte und wie die Restriktionen bewertet wurden. Dies zeigt eine deutsche Studie von Modersitzki et al. (2021). Für Unternehmen ist es dabei in der Krisenhandhabung bedeutend zu berücksichtigen, dass sich verschiedene Mitarbeitende unterschiedlich von der Pandemie betroffen fühlen. Es sollte also keine Erwartungshaltung bestehen, dass alle Mitarbeitenden gleich auf die Pandemie und deren Konsequenzen reagieren – ganz so, wie auch generell gilt, die Individualität der Mitarbeitenden zu achten und wahren.

Person-Umwelt-Passung

Ein wesentlicher Bestandteil der Schwierigkeit von Covid-19 für Unternehmen und deren Mitarbeitenden bestand gemäss Carnevale und Hatak (2020) in dem geringeren Person-Umwelt-Fit – der subjektiven Passung eines Individuums zur Organisation. Ein hoher solcher Fit geht mit mehr Arbeitszufriedenheit und stärkerem Arbeitsengagement einher. Laut Autorinnen führte die Pandemie insofern, als wir auch im Beruf nach Gemeinschaft und Beziehungen streben, zu einer Reduktion der wahrgenommenen Passung. Ein Unternehmen sollte in Krisen-Zeiten probieren, auf verschiedenen Ebenen zur Aufrechterhaltung ebendieses Fits beizutragen. Dies kann nicht nur durch alternative Teambuilding-Formen wie virtuelle Lunchs geschehen, sondern auch durch die informationelle oder informelle Unterstützung – so beispielsweise durch regelmässige Informationen zum aktuellen Krisen-Stand, zu Gesund- und Sicherheitsfragen, zu lokalen Angeboten wie Pflegediensten und Kindertagesstätten ebenso wie durch Team- und Einzelgespräche oder Schulungen zur erfolgreichen Adaption an die sich stetig verändernden Umstände.

Psychoedukation

Ergänzend kann es gemäss Cavicchioli et al. (2021), welche sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf das psychische Wohlbefinden auseinandersetzten, für einige Mitarbeitende in Ausnahmezeiten wichtig sein, Unterstützung bezüglich psychotherapeutischer Angebote zu erhalten. Andere wiederum profitieren von kognitiven Verhaltenstechniken und Psychoedukation, um der Krisen-Situation erfolgreich zu begegnen. Damit wird den Mitarbeitenden gezeigt, dass sie und die Lage ernstgenommen werden und auch längerfristige Konsequenzen anerkennt werden.

Zielverfolgung

Protektive Faktoren für die Erhaltung des beruflichen Wohlbefindens sind zudem Interdependenz und das Verfolgen gemeinsamer Ziele. Ein reger, interdisziplinärer Austausch über die betrieblichen Projekte, Ziele und Visionen ist für den Unternehmenserfolg generell wesentlich. Gerade in ungewohnten und ungewissen Zeiten sollte er aber demnach noch stärkere Beachtung finden, damit sich die Mitarbeitenden weiterhin entfalten können und der Team- sowie Unternehmensgeist erhalten bleibt.

Corporate social responsibility

Anlehnend an die beschriebene gemeinsame Zielverfolgung bietet sich unter anderem das Konzept der ‘corporate social responsiblity’ (CSR) an, also der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung. Damit wird jede freiwillig geleistete ‘verantwortungsbewusste’ Aktivität einer Firma bezeichnet. Gemäss Aguinis, Villamor und Gabriel (2020), die in ihrem Artikel CSR-Strategien von Grossunternehmen wie Amazon während Covid-19 vergleichen, hat eine gekonnt gewählte CSR-Strategie nachweislich positive Effekte auf das Engagement, die Leistung und die Beziehungen von Mitarbeitenden. Ebenso zieht sie eine stärkere Zufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen nach sich, weil sie die Sinnhaftigkeit für die eigene Tätigkeit erhöht. Dies ist gerade in Krisen-Zeiten wesentlich. Zu beachten ist hierbei, dass die CSR-Strategie zu den Kernkompetenzen des Unternehmens passt und in die ganze Firmenstrategie integriert wird, womit alle Mitarbeitenden involviert sind.

Fazit

Verschiedene Expertinnen und Experten sind sich einig: Covid-19 wird nicht die letzte Krise gewesen sein, welche die gegenwärtige erwerbstätige Gesellschaft erlebt – und ebenso zeichnet sich relativ klar ab, dass die Konsequenzen der Pandemie keinesfalls kurzlebig sein werden! Die «grand challenges of today» erfordern einen bewussten und nachhaltigen Umgang der Unternehmen mit unvorhergesehenen Ereignissen, Krisen und erhöhter Unsicherheit, was sich am Beispiel von Covid-19 zeigte und nach wie vor zeigt. Wir tun daher gut daran, unsere Lehren aus der aktuellen Situation zu ziehen, optimistisch in die Zukunft zu blicken und, Krise hin oder her, auf das Wohl unserer Mitarbeitenden zu setzen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen fruchtbaren, erfolgreichen und gesunden Start ins 2022!

Giulia Stotz

M. Sc. Psychologin, Personalentwicklerin

Quellen

Modersitzki, N., Phan, L., Kuper, N., & Rauthmann, J.F. (2021). Who is impacted? Personality predicts individual differences in psychological consequences of the COVID-19 pandemic in Germany, Social Psychological and Personality Science, 12(6), 1110-1130.

Aguinis, H., Villamor, I., & Gabriel, K. (2020). Understanding employee responses to COVID-19: a behavioral corporat social responsibility perspective. Journal of the Iberoamerican Academy of Management, 18(4), 421-438.

Cavicchioli, M., Ferrucci, R., Guidetti, M., Canevini, M.P., Pravettoni, G., & Galli, F. (2021). What will be the impact of the COVID-19 Quarantine on psychological distress? Considerations based on a systematic review of pandemic outbreaks, Healthcare, 9, 101.

Carnevale, J., & Hatak, I. (2020). Employee adjustment and well-being in the era of COVID-19: Implications for human resource management, Journal of Business Research, 116, 183-187.

Bilder: www.pixabay.com

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